Das neugeborene Baby
Die wichtigsten Lebensfunktionen des Säuglings
Wenn ein Baby auf die Welt kommt, besteht seine wichtigste Aufgabe darin zu leben, zu wachsen und sich zu entwickeln. Dazu muss es lernen und das kann es auch, vom ersten Moment seines Lebens an. Dazu ist es sozusagen auf die Welt gekommen, denn es soll ja im Grunde genommen nicht bleiben wie es ist.
Um zu wachsen und sich zu entwickeln muss es einige wichtige Aufgaben des Lebens außerhalb des Mutterleibs erstmals selbst in Angriff nehmen:
Saugen und Nahrungsaufnahme: Ein Baby muss Saugen. Das ist sehr wichtig um sich zu ernähren und das wiederum ist die Voraussetzung um zu wachsen.
Das Saugen an der Mutterbrust muss erst einmal erlernt werden. Wenn dies nach einigen Tagen und Anfangsschwierigkeiten schließlich gelungen ist, dient dem Baby das Saugen auch dazu sich zu entspannen und zu beruhigen. Selbst wenn ein Baby keinen Hunger hat kann es das Bedürfnis haben zu saugen.
Deshalb saugt es auch an einem Beruhigungssauger, obwohl dieser keine Nahrung spendet und nicht die Brust der Mutter ist.
Weil Babys außer dem Saugen zur Aufnahme von Nahrung auch Saugen um sich zu beruhigen, spricht man vom Saugbedürfnis des Säuglings, der so heißt weil er dies tut. Babys führen deshalb ihre Hände zum Mund. Sie versuchen sich selbst zu beruhigen, indem sie sich etwas in den Mund stopfen, etwa ihre Hand oder ihre Finger, wenn keine Brust oder kein Schnuller genommen wird. Sie versuchen so, sich selbst zu beruhigen.
Später erforschen sie über das Herumsaugen, Lecken und dem Herumlutschen an allen möglichem und unmöglichen Dingen ihre gesamte Umwelt.
Bei jedem Lebewesen gehen die körperliche und die geistige Entwicklung im Grunde Hand in Hand, das eine ist ohne das andere einfach schlecht möglich.
Weil diese erste Lebensphase des Säuglings für ihn so wichtig ist, um zu überleben, sich körperlich und geistig weiter zu entwickeln und um die Welt kennen zu lernen und weil eben dies für alles andere grundlegend ist, spricht man in diesem Zusammenhang von der „oralen Phase“.
Verdauen und Ausscheidung; Zum Prozess des Wachsens, dessen Grundlage die Nahrungsaufnahme ist, gehört auch die Verwertung der Nahrung innerhalb des Körpers und die Ausscheidung der Nahrungsreste, die der Körper nicht verwerten kann, also die Verdauung.
Nahrungsaufnahme, Verdauung und Schlaf, um sich von den Anstrengungen des Lebens zu erholen, stellen die Haupttätigkeiten des Säuglings dar.
Wenn er nicht schläft, so muss er essen oder verdauen. Das ist sozusagen sein Job.
Um zu Verdauen und Auszuscheiden ist beim Menschen im Anschluss an das Saugen genau wie bei anderen Säugern die Tätigkeit seiner inneren Verdauungsorgane von Nöten. Das wären außer dem Schlucken auch die Tätigkeit des Magens und des Darms, die nötig sind um die Nahrung in ihre Bestandteile aufzulösen und zu verwerten.
So ein Darm ist einige Meter lang. Da hindurch muss die Nahrung bevor sie als Restbestand hinten wieder rauskommt. Man spricht dabei von Darmpassage, und zum Schluss von Ausscheidung.
Der Darm funktioniert indem er sich rythmisch zusammenzieht, ähnlich einer Raupe und so die Nahrung durch sich hindurch befördert. Nur so kriegt er die Nahrung durch sich hindurch und letztlich hinaus. Dazu braucht der Darm Stunden.
Und dies ist ein Prozess den man als Verdauungsarbeit bezeichnet.
Neben Schlafen und Saugen der Hauptjob des Babys um zu wachsen.
Beim Erwachsenen wird die Bewegung der Darmmuskulatur dadurch gefördert, indem der Mensch sich bewegt, das heißt indem er Herumläuft.
Beim Baby geht das nicht, es kann nicht laufen.
Aber es kann sich bewegen und zwar indem es die Beine bewegt als würde es laufen. Das heißt beim Baby Strampeln. Das Baby muss strampeln um seinen Darm in Bewegung zu bringen. Und das Signal des Körpers, das ihm sagt, das es nun strampeln muss, um seinen Darm in Bewegung zu setzen, ist folgender: Im Bauch des Babys drückt die Nahrung von Innen her gegen den Darm. Darauf hin fängt das Baby an zu strampel.
Und um den unverdaulichen Nahrungsrest am Ende der stundenlangen, meterlangen Darmpassage auch noch wieder aus dem Körper hinaus zu befördern und somit auszuscheiden, muss das Baby seine Bauchpresse aktivieren, es drückt und presst, indem es die Beine anzieht und die Bauchmuskeln anspannt.
Dieser Vorgang ist angeboren, ein Reflex, genau wie das Bedürfnis zu saugen und zu essen.
Würde es im Darm nicht drücken, so könnte das Baby nicht erkennen, das es nun Strampeln muss um seine Nahrung durch den Darm zu transportieren. Und es könnte auch nicht merken, dass die Darmpassage erledigt ist, und die Nahrungsreste hinausbefördert werden sollten, also fertig zur Ausscheidung des unverdaulichen Nahrungsrests, am Ende der Verwertung von allem was in der Nahrung nutzbringen war.
Die signalgebenden Empfindungen des Drucks innerhalb des Darms sind dabei so überlebenssichernd wie das Empfinden von Hunger. Sie regeln Nahrungsaufnahme, Verdauung und Ausscheidung.
Aber so wie das Saugen an der Mutterbrust im Anfang eine Mühe darstellt, und so wie Hunger, kann das Baby seine Verpflichtung Verdauungsarbeit leisten zu müssen, als sehr lästig empfinden.
Menschen neigen dazu zu schimpfen, wenn sie etwas als lästig empfinden. Säuglinge sind auch Menschen. Das bedeutet, wenn den Säugling etwas stört und etwas ihn nervt und etwas in seinem Empfinden ihm lästig erscheint, dann meckert er lauthals los, genau wie andere Menschen auch.
Da er aber noch etwas Zeit braucht, um die menschliche Sprache perfekt zu beherrschen, bedient er sich eines anderen, äußerst effektiven Mechanismus, um die empfundene Belästigung zum Ausdruck zu bringen: Das Baby schreit.
Lautäßerungen und Schreien: Babys geben zahlreiche Töne von sich und sie schreien. Sie schreien um sich zu äußern und ihre Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Sie schreien auch um ihre Bedürfnisse zu artikulieren, auch wenn sie noch nicht sprechen können.
Das Schreien ist physiologisch, das heißt es ist normal, nicht krankhaft.
Alle Säuglinge schreien, es ist ihre spezifische Art sich zu artikulieren. Sie weinen nicht, sie reden nicht, sie schimpfen nicht mit Worten, sie schreien.
Manchmal schreien sie, um ihre störenden Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Und manchmal schreien sie, um ihre Bedürfnisse zu artikulieren weil sie an etwas Mangel leiden, was sie von ihrer Umwelt brauchen.
Und darin besteht das ganze Geheimnis: Sie schreien weil es für sie normal ist, sich so zu äußern und sie schreien einmal wegen ihrer Empfindungen und ein anderes Mal wegen ihrer Bedürfnisse.
Sie haben aber Empfindungen und sie haben auch Bedürfnisse. Das heißt ganz konkret, ein Baby will nicht immer etwas wenn es schreit aber es fühlt immer etwas wenn es schreit.
Das was es wirklich in jedem Fall von uns braucht sind also nicht immer irgendwelche Handlungen sondern in vielen Fällen einfach unser Verständnis. Babys wollen und müssen verstanden werden. Als Wesen. Als Menschen. Das ist die Grundlage ihrer Beziehung zum Rest der Menschheit und zur ganzen Welt.
Die Ausdrucksmöglichkeiten des Säuglings:
Um mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, muss ein Mensch sich ausdrücken können, verbal oder nonverbal, mit den Bewegungen des gesamten Körpers, mit Mimik und Gestik, mit Lauten und mit Sprache.
Das alles können schon Neugeborene. Sie können sich ausdrücken und sie können unsere Möglichkeiten uns auszudrücken sogar verstehen. Babys sind von der ersten Stunde ihres jungen Lebens an befähigt, sich unsere Gesichtszüge einzuprägen, unsere Mimik zu deuten und sogar mit ihren Gesichtsbewegungen darauf zu reagieren, sie zum Beispiel zu spiegeln.
Sie sind von den ersten Lebenswochen an in der Lage zu erkennen, ob sich jemand in ihrer Umgebung hilfreich oder schädigend verhält, freundlich oder feindselig wirkt – und sie wenden sich diesen Menschen entsprechend ihrer eigenen Beobachtung und persönlichen Beurteilung nach entweder zu oder ab.
Nach wenigen Wochen können sie unterscheiden, ob eine Person grammatikalisch richtig oder falsch spricht – und diese Beurteilung gelingt ihnen sogar bei einer erst wenige Wochen „gelernten“ Fremdsprache.
Innerhalb eines einzigen Jahres sind sie in der Lage eine oder mehrere Sprachen zu erlernen, denn diese beherrschen sie noch bevor sie beginnen sie auch zu sprechen. Lernen beginnt für Babys vom ersten Tag, das gilt nicht nur auf das erlernen der menschlichen Sprache sonder für alles. Was ein Baby noch nicht kann, das kann es lernen und zwar sehr schnell.
Babys drücken sich vom ersten Tag an sehr deutlich aus, vom ersten Tag an zeigen sie ihre Gutwilligkeit aber auch ihre Abneigung und Ablehnung mit dem ganzen Körper aus. Im Fall der Abkehr wenden sie sich ab oder drücken sie sich weg, sie blicken weg, drehen den Kopf weg oder stemmen ihre Arme und Füße ablehnend gegen eine Person, die ihnen zu nahe rückt. Sie wenden auch den Blick und den Kopf von einer Person ab, wenn sie eine Pause brauchen von Aufmerksamkeit und Kontakt, von Zuwendung und von Nähe – auch wenn es die eigene Mutter ist, die sich ihnen zu sehr aufdrängt.
Da Babys in den Augen der Allgemeinheit aber immer noch, trotz der in den letzten Jahren erbrachten Beweise der Säuglingsforschung, als völlig hilflos und permanent nach menschlicher Nähe schmachtend abgeurteilt werden, missachtet man häufig ihre Abkehrbewegungen, ihre Ablehnung und deutet ihr Verhalten in diesem Sinne völlig falsch.
Das Gesetz nach dem die meisten Laien das Baby beurteilen ist ehern: Das Baby schreit, es muss einen Mangel leiden, es ist völlig hilflos und es ist ohnmächtig und bei jedem einzelnen Mangelzustand auf eine Hilfsperson angewiesen, die ohne zu zögern oder dieses Gesetz zu hinterfragen, sofort und unabdingbar auf den Plan gerufen werden muss um Abhilfe zu schaffen.
Bei dieser reduzierten und einseitigen und noch dazu völlig veralteten Sicht auf den Säugling wundert es nicht, wenn ich seine sämtlichen Körperreaktionen in diesem Sinne umdeute und damit verkehrt deute und mich falsch verhalte.
Moderne, gut ausgebildete Psychologen für ganz kleine Kinder sprechen in diesem Zusammenhang von „Übergriffigkeit“. Und sie warnen inzwischen vor Überfürsorge genau so sehr wie vor Vernachlässigung, denn beides schadet der jungen Seele auf gleiche Weise, das Baby kann sich nicht optimal entwickeln.
So wie zuwenig Esssen dem Körper ebenso schadet wie zuviel kommt es in jeder Hinsicht darauf an, die Bedürfnisse des Körpers und der Seele zu achten und sich nicht über sie hinwegzusetzteem
Wenn ein Baby also schreit um etwas auszudrücken, was es belästigt, so will es sich eventuell einfach artikulieren weil ihm das gut tut, weil ihm das hilft. Genau wie uns auch. Nicht mehr und auch nicht weniger.
Es kann also schreien, um eine Belästigung auszudrücken, um sich zu artikulieren und auch um sie zu überwinden, indem es Spannungen abbaut – in dem es schreit.
Auch wenn es vielen Menschen immer noch schwer fällt, genau diese Fähigkeit des Säuglings anzuerkennen, aber ein Baby kann sich bis zu einem bestimmten Maß auch selbst helfen, seine eigenen Spannungen zu regulieren. Und manchmal hilft ihm dabei das laute, kraftvolle Schreien. Es kann ja nicht Joggen gehen, oder zum Boxen oder zum Fußballspielen.
Experten sprechen in diesem Zusammenhang von „Mechanismen der Selbstregulation“ – und sie sind immens wichtig für alle lebenden Wesen.
Andernfalls kann sich ein Baby auch durch Schreien äußern weil es seine von ihm selbst zu leistende Verdauungsarbeit als Belästigung empfindet, denn im Bauch drückt es und das Baby wird gezwungen darauf zu reagieren, indem es auch drückt und die Beine anzieht und eben ganz konkret und tatsächlich Arbeit, in diesem Fall seine Verdauungsarbeit zu leisten hat, die anstrengend ist, wie jede andere Arbeit auch.
Es kann auch einfach schreien weil es müde ist und Müdigkeit sich nun einmal unangenehm anfühlt. Wer von uns fühlt sich schon pudelwohl obwohl er todmüde und nervlich völlig überreizt und überanstrengt ist!?
Wer von uns genießt es als Wohltat und Beruhigung wenn sich ihm in diesem Zustand noch ein anderer Mensch, hektisch und aufgeregt, mit zehn verschiedenen Manipulationsversuchen aufdrängt, um uns „zu helfen“??
Uns zu helfen, indem er an uns herrumreibt, mal hier mal da, uns im Bett herumrollt, uns hochreißt, umarmt, sehr fest an sich presst, aber nur kurz und der uns dann aufs Sofa schubst, uns wechselweise und mehrfach Bonbons, Kekse, Suppe, Tee und irgendwelche Tropfen einflößt oder sich dann ungebeten weiter unten zu schaffen macht, dort unsere Kleidung herunterzieht und diese komplett und ohne Notwendigkeit wechselt oder dort eine Einreibung vornimmt, oben noch eine Wärmflaschen auflegt oder gleich darauf weiter hinten ein Zäpfchen einführt oder einen Einlauf verabreicht???!!!
Wonach wäre uns allen in einer solchen Situation wohl am Allermeisten zu Mute? Jetzt sagen sie bloß nicht, einfach danach ganz spontan laut loszubrüllen!!?? „Lass mich doch endlich mal in Ruhe, Mensch!! Siehst du nicht das ich fix und alle bin??! Jetzt lass mich doch mal!“
Jedes Kind und jeder normale Mensch würde sich eine solche Behandlung seiner Person ganz schlicht verbitten – bei einem Säugling gehen wir davon aus, sie würde ihm helfen und er sei auf eine derartige Hilfe und Nähe so dringend angewiesen wie auf die Milch seiner Mutter.
Stellt man sich vor, das Säuglinge naturgemäß bereits bei jedem Hungergefühlt auf die hilfreiche Darreichung und den Körperkontakt mit der Mutter angewiesen sind sowie nach jedem mühevollen Ausscheidungsakt sowie zusätzlich bei jedem Lagewechsel, falls eine Position irgendwann zu ungemütlich wird, dazu bei jedem Gefühlt von Hitze oder Kälte – dann kann man sich vorstellen das ihnen ihr ohnehin bereits mehr als deutlich empfundenes Ausmaß an Hilfebedürftigkeit und Körperkontakt mit dem Mitmensch irgendwann auch einmal ausreicht und ein Mehr davon das Maß des Erträglichen einfach überschreitet.
Babys brauchen auch davon irgendwann eine Pause, eine Erholung, eine Ruhephase für das junge, empfindsame Nervensystem. Und ich denke, das ist verständlich.
Trotzdem verstehen es die meisten Menschen nicht. Sie weigern sich schlicht, es zu akzeptieren.
In solchen Phasen wenden Babys anfangs erst einmal ganz diskret den Blick ab, sie drehen den Kopf weg, sie drücken den Arm abwehrend gegen die riesige Brust ihres Mitmenschen – und wenn er all diese zarten Hinweise schließlich und endlich komplett missachtet hat, was leider sehr oft geschiet – dann brüllen sie einfach anständig los, denn sie können auch anders.
Ein Baby kann tatsächlich auch Schreien weil ihm alles zu viel geworden ist, es kann schreien weil es vom Tagesgeschehen – all den Geräuschen, Gesehenem, Gerüchen, Gefühlen - am Ende eines langen Tages vollkommen erschöpft und überreizt ist.
Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang ganz richtig von Stimuli, also von Reizen, denn das Nervensystem wird an allen Ecken und Enden unaufhörlich und durch alles und jedes permanent gereizt. Am Ende eines langen Tages steht das Menschenkind dann innerlich unter Spannungen und das Schreien hilft ihm tatsächlich, diese Anspannung zu überwinden und die unangenehme Anspannung durch kraftvolles, lautes Schreien abzuführen.
Außer Spannungsabfuhr durch Saugen und Strampeln kann ein menschlicher Säugling nur Spannungsabfuhr durch Schreien erzielen. Es kann sonst nichts tun und es versucht sich selbst wieder ins Lot zu bringen, weil es das dringend braucht und weil es das auch kann.
Man nennt diesen wichtigen Mechanismus Selbstregulation. Ohne ihn fühlt sich ein Mensch übrigens völlig hilflos und ausgeliefert und das fühlt sich sehr schlecht an, viel schlechter als einfach nur verdauen zu müssen, als müde zu sein oder unter Anspannung zu leiden.
Um sich nicht ohnmächtig zu fühlen, kann man von Anfang des Lebens an etwas gegen schlechte Gefühle tun. Das nennt man Selbstwirksamkeit. Es ist für die Psyche des Menschen ungemein wichtig – und zwar von Anfang an:
Gegen Hunger hilft es zu essen, gegen Müdigkeit zu schlafen und gegen Überreizung hilft es, sich wieder zu entspannen. Aber das muss jedes Wesen für sich selbst auch selbst tun, niemand kann für uns essen, schlafen und innerlich entspannen. Kein Mensch und auch keine Mutter.
Und darum geht es hier: Man muss man sich erst einmal grundsätzlich klar machen, dass es wirklich nicht möglich ist, für einen anderen Menschen zu verdauen. Verdauen und Ausscheiden muss jeder Mensch im Endeffekt selbst.
Man kann grundsätzlich auch nicht für jemand anders einschlafen oder sich für ihn in seinem Innern entspannen.
All dies sind Dinge, die in einem anderen Menschen von Statten gehen müssen, aktiv und nicht passiv. Keine Mutter der Welt kann einem Baby abnehmen, auszuscheiden, einzuschlafen und sich körperlich und seelisch zu entspannen. Aber Mutter Natur hat das eingeplant und nur sie hat die Lösungen dafür parat. Auf sie ist in der Regel absolut Verlass. Sie versteht ihr Handwerk. Seit Millionen von Jahren.
In all diesen Situationen, wenn wir einem anderen Menschen nicht durch unsere Aktionen von außen vor den Anforderungen des Lebens retten können, einfach weil es nicht geht und auch nicht nötig ist, weil der andere das selbst und aktiv in seinem eigenen Inneren bewerkstelligen muss, in all diesen Fällen hilft es einem Menschen am besten, wenn man ihn begreift und versteht. Verständnis ist die Medizin die allen Menschen auch dann hilft, wenn andere Hilfe unmöglich ist. Verständnis ist der Schlüssel zur Seele eines Menschen.
Ohne Verständnis gibt es zwischen Menschen keinen sinnvollen Kontakt, keine wirkliche Hilfe, keinen Trost, keine Ermutigung, keine Erleichterung und selbst die größte Liebe wird ohne Verständnis für den anderen Menschen im Grunde genommen sinnlos denn sie bleibt nur ein Wort. Selbst die wunderbarste Handlung verfehlt ohne Verständnis für den anderen ihr eigentliches Ziel: den anderen Menschen, egal wie jung oder alt dieser ist.
So ist Verständnis manchmal der Schlüssel zum Glück – aber in jedem Fall der Schlüssel zu einem anderen Wesen.
Wichtig ist auch zu begreifen, dass kein Lebewesen völlig hilflos und ohnmächtig ist, solange es lebt und auch nicht wenn es grade auf die Welt gekommen ist. Jedes Wesen ist in der Lage selbst zu leben. Das ist die Grundlage von allem. Und Atmen, Schlafen, Essen und seine Nahrung und seine Reize selbst zu verarbeiten gehört zu den Überlebensfähigkeiten die jedem von Mutter Natur mitgegeben werden, wenn er auf die Welt kommt. Mutter Natur sei dafür gepriesen!!!
In anderen Fällen kann ein Neugeborenes darauf angewiesen sein, seine Bedürfnisse zu stillen, indem andere ihm dabei von Nutzen sind.
Es kann selbst essen und muss selbst essen – aber die Nahrung befindet sich zu Beginn noch in der Brust der Mutter, in ihrem Busen.
Es kann selbst verdauen und muss selbst ausscheiden. Aber manchmal hilft es, wenn die Mutter einem dabei etwas den Bauch massiert.
Es kann selbst ausscheiden, aber die Ausscheidung selbst zu entfernen fällt Säuglingen noch recht schwer, Windelwechsel durch andere ist dabei hilfreich.
Wenn ein Baby friert nützt ihm eine äußere Wärmezufuhr durch Heizung oder Kleidung. Aber Schwitzen kann es selber.
Manchmal kann also ein Säugling seine Lebensfunktionen selbst übernehmen und regeln und manchmal braucht es dabei noch Hilfe. Das heißt aber eben nicht, dass es völlig hilflos ist nur weil es neu ist auf der Welt. Dann wäre es nämlich gar nicht überlebensfähig. Wem Mutter Natur diese Fähigkeit nicht mitgegeben hat, der ist dem Tod geweiht. Leider sind wir das letztendlich aber wiederum alle, denn nichts währt ewig.
Da Babys noch auf andere Menschen angewiesen sind, um zu überleben, sind sie perfekt dafür ausgestattet, andere Menschen dazu zu bringen, sich um sie zu kümmern. Wer diese Lebenswahrheit außer Acht lässt geht manchmal sehr viel achtloser mit Säuglingen um als er meint. Achtsamkeit hat mit Achtung zu tun und damit auf etwas zu achten. Das nennt man dann allgemeinhin Feingefühl. Wer es für sich selbst hat, sollte es auch für andere haben. So mancher hat das schon vergessen grade wenn es darauf ankam.
2.
Babys aktivieren unser Brutpflegeverhalten: Babys sehen von Natur aus so aus, dass in uns das Bedürfnis entsteht, sich um sie zu kümmern. Diesen lebenswichtigen Anpassungsmechanismus durch optische Reize nennt man in diesem Fall „Kindchenschema“.
Wir empfinden das Aussehen von sehr jungen Säugern als niedlich, wir fühlen Zuneigung und wollen uns ihrer annehmen, egal ob Menschenbabys, Babykätzchen oder Hundebabys. Auch Löwenbabys lösen diese Empfindungen bei uns aus oder junge Affen. Eine Tierart kann sie sogar für die andere empfinden, deshalb schlecken und säugen Leopardenmammies junge Kitze, Hunde kümmern sich hingebungsvoll um kleine Ferkel und all das basiert auf dem mütterlichen Instinkt und dem Brutpflegeverhalten, das uns angeboren ist, um das Überleben von neugeborenen Säugern jeglicher Art zu sichern.
Auch der Mensch ist biologisch gesehen übrigens ein Säuger und er ist noch dazu ein Primat, also ein Aff.
Es tut mir leid, aber es ist so. Wie manch andere Lebenstatsache kann ich sie leider nicht ändern, nur weil ich Hebamme, psychologische Pädagogin und Beraterin bin, denn auch ich kann nicht aus meiner Haut.
Andererseits ist das auch ganz gut so, denn die Natur tut nichts was ihr nicht auf die eine oder andere Weise nützt. Sonst gewöhnt sie es sich wieder ab.
So dient dem Säugling sein von uns subjektiv so wahrgenommenes „niedliches“ Aussehen dazu, dass wir uns um den Plagegeist kümmern obwohl es objektiv betrachtet ein Plagegeist ist, das heißt obwohl es uns beträchtliche Mühe macht. In Wirklichkeit haben Babys einen riesen Kopf, eine Glatze, viel Fett aber noch kaum Muskeln nebst sehr kurzen, krummen Beinen und sie schreien, kackern, sabbern, spucken, rülpsen und pupsen eigentlich ständig – und da ist es einfach clever wenn keinem das weiter störend auffällt.
Andernfalls würden wir Säuglinge bei all der Mühsal, die sie uns gelegentlich, also unaufhörlich bereiten, einfach hinter die Stadtmauer tragen, um sie dort zu deponieren, um wieder ruhig schlafen zu können und ohne uns weiter um ihr Los zu kümmern, denn auch sowas gibt es im Leben.
Um in anderen Wesen die Bereitschaft zu wecken, sich um Neugeborene zu kümmern, obwohl dies mit beträchtlicher Anstrengung verbunden ist, sehen sie in unserer Wahrnehmung nicht nur niedlich aus, sie geben auch noch Töne von sich, um weiteres Brutpflegeverhalten in anderen Kreaturen auszulösen, sie piepsen und fiepen und maunzen nicht nur mit hohen kleinen Stimmchen, nein sie schreien auch aus vollem Halse mit 80 Dezibel sofern es sich um frischgeborene Menschenkinder handelt.
Auch das ist für sie nützlich und deshalb tun sie es, ausdauernd und kraftvoll und äußerst sinnvoll und effektiv. Durch das Schreien sind Babys in der Lage den ganzen sie umgebenden Trupp auf Trab zu bringen, um ihnen möglichst nützlich zu sein.
Leider sind manche Menschen auch weniger nützlich, ausnahmslos diejenigen die einen nicht verstehen.
Denn wie oben bereits erwähnt: manchmal schreien Babys weil sie etwas empfinden und dies schlicht auszudrücken suchen und manchmal weil sie wünschen, ein anderes Bedürfnis zu stillen.
Und das zu unterscheiden, dazu braucht es lediglich etwas Übung, mehr nicht. Aber genau diese Unterscheidung ist für Babys unglaublich wichtig – denn egal aus welchem Grund sie schreien: Sie wollen verstanden werden. Das ist dabei das A und O.
Nur wenn man ein Baby richtig versteht, kann man so auf es reagieren, dass man ihm sinnvoll zur Seite steht. Verständnis zu haben ist das wichtigste was es gibt, wenn man mit Menschen leben will. Das gilt auch für menschliche Säuglinge.
Menschenbabys sind also zwar auf Unterstützung durch andere angewiesen, aber sie sind dabei keineswegs hilflos sondern hervorragend dazu ausgestattet, Unterstützung in anderen zu aktivieren.
Menschenbabys sind also klein aber weder hilflos noch dumm. Selbst wenn alle Welt das Gegenteil glaubt, denn das ist nützlich für sie.
Wenn ich glaube, jemand kann was nicht, bin ich eher geneigt ihm meine eigenen Dienste anzubieten als wenn ich denke, er kommt schon ohne mich klar. Wir helfen eher dem Schwachen als dem Tüchtigen und Fitten, der sich selber schon irgendwie helfen wird, indem er sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. So sind wir Menschen. Leider.
Ich habe uns nicht erfunden und muss mich damit genau so abfinden wie wir alle.
Je eher wir uns damit arrangieren, um so besser für uns alle, sogar für unsere Babys und auch wenn es noch so schwer fällt, es zu glauben.
Verständnis ist der Schlüssel zu einem anderen Menschen, egal wie jung oder alt er nun ist, vom ersten bis zum letzten Tag in seinem Leben.
Die Brücke zu einem anderen Menschen ist und bleibt das Verstehen. Einfühlungsvermögen und gesunde Urteilsfähigkeit sind die Basis für jeden gesunden Kontakt zu unserem Mitmenschen, egal ob jung oder alt. Erst danach, im Anschluss daran, können wir entscheiden ob und wie wir handeln müssen, um dem anderen Menschen zu helfen.
Und häufig sind weder Ratschläge noch andere Schläge oder Handlungen von Nöten, wenn ich nur in der Lage bin, Verständnis aufzubringen.
Vielleicht braucht mein Gegenüber nicht mehr, um selbst eine Lösung für seine Probleme zu finden.
Die Aktivierung des Brutpflegeverhaltens: Wie oben bereits erwähnt erreichen Babys beim Schreien eine Lautstärke von 80 Dezibel, das ist die Lautstärke eines Presslufthammers.
Sie bei diesem Potenzial als schwach und hilflos zu beurteilen fällt mir persönlich sehr schwer.
In jedem Fall steht fest, dass es kaum einen stärker empfundenen Appell an die Eltern eines Säuglings gibt als sein ausdauerndes, ohrenbetäubendes Schreien.
Niemand kann davon unberührt bleiben, denn es klingeln einem dabei buchstäblich die Ohren. Das Schreien zerrt an den Nerven junger Eltern mehr als alles andere.
Ich habe in all den Jahren meiner Berufstätigkeit niemals eine Mutter oder einen Vater getroffen, der in der Lage gewesen wäre, nicht in irgendeiner Form auf das Schreien seines eigenen Kindes zu reagieren, selbst die nicht, die Taubstumm waren.
Es gibt meiner Erfahrung nach keine Eltern, die ihr Kind einfach schreien lassen. Jeder normale Mensch und sogar in der Nähe befindliche Tiere reagieren auf das Schreien eines Säuglings. Ob die Reaktion nutzbringend in den Augen des Babys ist, sei einmal dahingestellt.
Da es also meiner Einschätzung nach kein Lebewesen gibt, das nicht auf das Schreien reagiert, und sei es nur mit klingelndem Trommelfell oder einem angespannten Nervensystem, ist die tausendfach verkündete Anweisung, den Säugling nicht schreien zu lassen ungefähr so sinnvoll wie das Hineinkippen von Wasser in den Bodensee. Es ist komplett unsinnig.
Da jeder normale Mensch mit Rat und Tat bemüht ist, dem Schreien eines Babys Abhilfe zu schaffen, indem er die eigenen Bemühungen sinnvoll oder sinnlos in den Dienst des Schreienden stellt, erscheint die Anweisung, das Baby „nicht schreien zu lassen“ nicht nur paradox, mir scheint darin immer auch eine gewisse Drohung mitzuschwingen, die ich von jeher als unangenehm empfunden habe.
Es gibt nämlich Situationen, in denen nichts was ein umstehender Mensch tun oder lassen kann, dem Schreien eines Baby Abhilfe zu verschaffen vermag. Egal was ich tue oder nicht tue, das Baby schreit. Es schreit trotz oder wegen meiner Bemühungen, es zum Verstummen zu bringen, es schreit ohrenbetäubend und markerschütternd, denn so sind Säuglinge nun einmal, wenn ihnen danach ist, dann schreien sie, ganz egal was ich tue oder lasse.
Es gibt keinen Schalter und kein Entkommen, ein Verstummen wird durch äußere Aktivitäten nicht zu erzielen sein, solange der innere Grund dafür nicht beseitigt ist.
Und nun schließt sich der Kreis: Wie bereits erwähnt gibt es Ursachen für das Schreien eines Babys die entgegen den Behauptungen sämtlicher weltweit versammelter Nicht-Fachleute nicht von außen, durch Einwirkung anderer zu beseitigen sind. Niemand kann das Baby von innerer Unruhe, von der Last der eigenen Verdauungsprozesse, von Einschlafschwierigkeiten und Zuständen der Überreiztheit befreien – außer ihm selbst.
Und magischer Weise eben durch selbige, von der nicht fachkundigen Außenwelt als so überaus bedrohlich erlebte Tätigkeit, nämlich in dem er solange schreit und über den Missstand klagend die Stimme erhebt, bis er sich ihrer selbst, selbständig und wenn man so will allein hinweggeholfen hat.
Grade dann, wenn die Ursache im inneren Befinden des Säuglings liegt und nicht durch einen Mangel begründet ist, der von außen behoben werden kann, kommt es jedoch auf die Reaktion der vom Säuglingsschreien betroffenen Umwelt an. Es kann ihm nicht anders geholfen werden, als durch pures menschliches Verständnis. Man kann ihm helfen, ruhig zu werden. Schlicht indem man selbst ruhig bleibt.
Ruhe und Zuversicht, Verständnis und Vertrauen – und keine hektische Aktivität und wilde Beteiligung am aufgekratzten, nervenzehrenden Verhalten – oder was wünscht sich ein Mensch, wenn er Probleme hat????
Wer will die Welt um sich herum dann in Aufruhr erleben, wer mag grobe Belehrungen, uneinfühlsame Anweisungen, hektische Handlungen und den bei all dem implizierten Befehl, mit seinen berechtigten Klagen sofort zu verstummen?
Kein normaler Mensch braucht sowas – und kein einziges Baby auf dieser Welt.
Manchmal schreien sie, ob wir das nun akzeptieren wollen oder nicht, sie tun es einfach. Sie tun aus aus gutem Grund, denn das Leben ist schwer. Nichts auf Erden fällt einem in den Schoß, nicht mal das Einschlafen nach einem langen, nervenaufreibenden Tag, denn niemand der überreizt ist, schläft einfach so ein. Er muss sich erst mal beruhigen, tief in seinem eigenen Inneren, da wo kein anderes Wesen Eingang findet, in seinem Körper, in seinem eigenen Nervensystem. Da hinein kann niemand, und da soll auch niemand sein. Dort in uns gibt es nur einen einzigen Menschen, der mit sich selbst wieder ins Lot kommen muss, bevor der Schlaf mit der Seeligkeit langersehnter Erholung uns endlich findet.
Über den Zustand der Reizmüdigkeit hilft von Außen nichts und niemand hinweg. Niemand anderes als wir selbst kann erzielen, das wir in der Lage sind, selbst einzuschlafen. Wenn sich ein Lebewesen nicht jedesmal komplett elend und hilflos fühlen soll, sobald es erschöpft und müde ist, dann muss ihm dies gelingen, denn selbst und selbständig in den Schlaf finden können ist eine wesentliches Element der Selbstregulation und der einzige wirksame und wirkliche Schutz davor, sich nicht jedesmal hilflos, total überfordert und aufgeschmissen zu fühlen, sobald wir müde werden..
Selbstregulation, Selbstwirksamkeit und Lernfähigkeit des Säuglings: Von der Hilflosigkeit zum Urvertrauen
Das was ein Baby noch nicht kann, das kann es lernen. Nur so wird das Maß der Hilfebedürftigkeit, die den Säugling anfangs noch ausmacht, auf ein erträgliches Ausmaß reduziert.
Wer jedesmal ein Gefühl der Hilflosigkeit empfindet, sobald er müde wird, der kann sich in seiner Haut nicht dauerhaft wohlfühlen. Selbst wenn immer eine hilfreicher Geist herbeieilt, um einen darüber hinwegzutrösten, das man nicht alleine einschlafen kann und der einen deshalb stundenlang in den Armen schaukelt, damit das Unwohlsein nicht gänzlich unerträglich wird, selbst dann kommt unweigerlich der Zeitpunkt an dem auch die Kräfte des hilfreichen Geistes erlahmen, weil auch dieser irgendwann restlos erschöpft und übermüdet sein wird.
Und nun? Jeder Versuch, den Hilflosen nun aus dem Arm des hilfreichen Geistes zu entfernen muss unweigerlich dazu führen, dem Hilflosen das ganze unerträgliche Ausmaß seiner Hilflosigkeit erneut in aller Deutlichkeit vor Augen zu führen, Augen, die vor Müdigkeit bereits brennen. Da wird er hingelegt und alles beginnt von vorne, er ist immer noch überreizt, er konnte immer noch nicht selbst einschlafen, er ist immer noch Müde..
Bloß das diese Müdigkeit nun noch ergänzt wird von der ebenso deutlich als unangenehm empfundenen Müdigkeit des hilfreichen Geistes.
Das aber ist nun wirklich zum Heulen, oder? So wird es in diesen Fällen auch meistens gemacht, das Baby schreit um seine Spannungen endlich loszuwerden, sich selbst zu regulieren, seine Reizmüdigkeit abzubauen und endlich selbst in den Schlaf zu finden – und die Mutter heult weil sie dieses Verhalten als Beweis dafür zu deuten lernt, das all ihre Mühen letztendlich vergeblich waren.
Innerhalb der Deutung des Säuglings als hilfloses, völlig von der mütterlichen Hilfsleistung abhängiges Wesen gibt es an diesem Punkt aber nur eine einzige Möglichkeit, dem Elend Abhilfe zu bieten: Der hilfreiche Geist ist erneut gefragt, er beginnt, mittlerweile an der Grenze zur völligen seelischen und körperlichen Erschöpfung aufs Neue damit, seine ruhelosen Runden durch die Wohnung zu drehen, auf dem Arm das immer noch überreizte, nach wie vor nicht zum Einschlafen gekommene Kind, das egal wie viele Stunden der Helfer jetzt noch durch die Welt trotten wird, immer das gleiche bleibt: Ein Säugling der bisher noch nicht allein einschlafen konnte und der nach wie vor seinen Zustand nervlicher Überanspruchung im eigenen Gehirn überwinden muss indem es einschläft und zwar selbst.
Wem das nicht als perfekter Teufelskreis erscheint, der muss wohl oder übel noch ein paar Runden drehen bis er zu der Erkenntnis gelangt..
Damit will ich folgendes sagen: Man kann ein Baby einige mühevolle Stunden darüber hinwegzutrösten versuchen, das es müde ist und nicht selbst einschlafen kann, am Ende wird es unumgänglich erneut mit seinem hilflosen Zustand konfrontiert. Es muss jetzt bloß wieder von vorne beginnen, seine Mechanismen zur Selbstregulation anwenden und seinen Zustand der Überreiztheit überwinden, indem es lauthals zu Schreien beginnt.
Das würde ihm auch innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten unweigerlich gelingen – die Spannung wäre abgebaut, das Baby entspannt und das Einschlafen jetzt erst wirklich möglich – wäre da nicht der hilfreiche Geist, der es daran hindert, indem es das Baby darüber hinwegzutrösten versucht, das es müde ist und nicht einschlafen kann…
Ich hoffe, ich konnte so die Situation beschreiben, in der Eltern sich befinden, wenn ich ihnen zu erklären versuche, das jeder Mensch sich selber helfen kann und selber helfen muss. Es geschieht an einem Punkt, an dem sie schon alles Menschenmögliche getan haben, um ihrem Baby die Qualen des Lebens zu lindern und ihm dabei zu helfen – und an dem es trotzdem schreit.
Ich behaupte nach wie vor, kein normaler Mensch reagiert nicht auf das Schreien eines Babys. Normale Menschen bemühen sich aus Leibeskräften, dem Schreihals zu Seite zu stehen und ihn zu beruhigen.
Sie füttern ihn mehrfach, sie wickeln ihn erneut, sie reiben ihn ab, sie cremen ihn ein, sie flößen ihm Hilfsmittel ein, sie reichen ihm Beruhigungssauger, sie wechseln seine Kleidung, sie geben ihm Zäpfchen, Tropfen und Klistiere, sie tragen ihn stundenlang und schaukeln ihn unablässig, sie singen ihm vor und streicheln ihn weiter – aber nichts, buchstäblich nichts hilft. Nichts hilft, weil niemand auf der Welt in der Lage ist, für uns zu verdauen, auszuscheiden, zu entspannen und einzuschlafen, selbst die fürsorglichste Mutter auf Erden muss an diesem Versuch letztendlich kläglich scheitern.
Genau dieser Zustand langwährender, fortgesetzter sinnloser Bemühungen von Seiten der Eltern ist es, an dem meine Erklärungen greifen sollten und weiter fortgesetzte Bemühungen nur weitere Frustrationen zu Folge hätten.
Ein Baby unbeachtet schreien zu lassen, ist meiner Erfahrung nach keinem normalen Menschen möglich, es am Schreien dauerhaft zu hindern auch.
Jeder Säugling schreit irgendwann und es gibt kaum etwas auf der Welt das ihn dauerhaft daran hindern könnte, es sei denn er wächst weiter, entwickelt sich weiter und lernt irgendwann, das andere Arten der Artikulation ihm besser dienlich sind.
Aber bis dahin dauert es für gewöhnlich einige Jahre. In diesen Jahren sollten wir als Eltern lernen, dem Schreien unseres sehr jungen Nachwuchses mit Verständnis, Ruhe und Gelassenheit zu begegnen statt mit Aktionismus, Willfährigkeit und Verzweiflung. Denn diese Wahl müssen wir letztendlich treffen, eine andere haben wir nicht.
Ein Jegliches hat seine Zeit, so heißt es schon in der Bibel und so sage ich es heute noch. Egal was wir tun oder lassen, irgendwann schreit ein Säugling, jeder von ihnen, jedenfalls wenn er normal und gesund und lebendig ist.
Ein Baby zu verstehen und es so zu akzeptieren wie es nun einmal von der Natur gemacht wurde, heißt dabei genau das Gegenteil von Übergriffigkeit, Überfürsorglichkeit und Ohnmacht.
Ein Baby einfach Schreien zu lassen, so behaupte ich stur, ist quasi unmöglich, ein Baby zu Stillen ist natürlich und gesund – aber „Jemanden mundtot machen“ – darunter versteht man an sich keinen sonderlich liebevollen und einfühlsamen Akt.
Dies auf ein Baby anzuwenden geschieht leider öfter als man meint, es geschieht grade von Seiten derer, die „nur sein Bestes wollen“. Aber das kriegen sie nicht!
Und jetzt, an diesem Punkt, zeigt sich hoffentlich, das es gewisse Mühen gibt, die man sich auch als Mutter oder Vater einfach sparen kann, es sind dies nämlich samt und sonders die hilflosen, sinnlosen Versuche für unsere Nachkommenschaft zu verdauen, auszuscheiden, einzuschlafen, zu lernen, sich zu entwickeln und zu denken, denn dazu unseren Kindern diese Prozesse abzunehmen, sind wir nicht gemacht.
Eine Mutter oder ein Vater kann ihrem Kind bei manchen Dingen helfen, leben muss es letzten Endes aber selbst.
Wer das nicht glauben kann, dient weder sich selbst noch irgendjemandem sonst auf der Welt und er ist damit so unnütz wie ein Kropf.